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Pressemitteilung 01/2005

Ein offener Brief vom 21.02.2005 an Herrn Ehrmanntraut (Baudezernent der Stadt Saarbrücken), der als Mitteilung an die Presse weitergegeben wurde.

Presse-Erklärung 01/2005

Saarländischer Bettelorden will mehr als eine „warme Suppe“
Eine Presseerklärung anlässlich der Forderung des Ministerpräsidenten Müller nach weiteren Finanzhilfen für das Saarland bei Finanzminister Eichel.

Offener Brief an Oberbürgermeisterin Charlotte Britz 26.08.05

Die Zukunft liegt in den Städten

OFFENER BRIEF

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin!

Unter der Überschrift, ,Die Zukunft liegt in den Städten - Wer die neue Stadtmitte am Fluss bezahlen soll' habe ich in der Saarbrücker Zeitung vom 13. August 2005 ein interessantes Interview von Ihnen gelesen. Es war deshalb interessant, weil ich den von Ihnen dargestellten Sachstand seit Januar dieses Jahres bereits von anderen Personen in regelmäßigen Abständen in der SZ lesen konnte. Offensichtlich gibt es nichts Neues, was die Finanzierung, die Planungen, die anstehenden Aufgaben und die Hoffnungen angeht.

Auf einige Ihrer Aussagen und Einschätzungen möchte ich aber deshalb eingehen, weil die Grundstimmung Ihrer Ausführungen den Schluss zulässt, dass ohne die ,Stadtmitte am Fluss' (SaF) die Stadt Saarbrücken keine Zukunft hätte. Ich möchte annehmen, dass das von Ihnen so nicht gemeint war.

Es mag sein, Frau Oberbürgermeisterin, dass die Zukunft in den Städten liegt. Aber diese These mit ,Es ist nun einmal so' zu begründen, wie Sie es getan haben, halte ich für bedenklich. Herr oder Frau "Es ist nun einmal so" trifft keine politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungen darüber, wo die Zukunft liegen soll: Er oder Sie stand nicht zur Wahl. Deshalb verlangt diese These von politisch Handelnden ein intensives Nachdenken darüber, ob diese Entwicklung sinnvoll ist oder war, sie ein Gegensteuern erfordert, oder ob ein Mittelweg gesucht werden muss. Denn die wirtschaftliche und kulturelle Konzentration auf die Städte bleibt nicht ohne Folgen für das Umland.

Das Ausbluten und ,Überaltern' der Fläche ist eine seit Jahren zu beobachtende Tendenz. Wegen der hohen Eigenheimdichte ist sie im Saarland nicht so ausgeprägt. Wir sind auch weit von Zuständen entfernt, wie sie in anderen Erdteilen mir ihren Megastädten Realität sind. Doch für die Menschen, die in Dörfern ohne Lebensmittelhändler leben müssen, ist die Situation vergleichbar: Sie sind gezwungen ihr Dorf zu verlassen, um sich ein Brot zu kaufen.
Mit der SaF würde diese Tendenz gefördert. Deren Zielsetzung ist es, Saarbrücken wettbewerbsfähiger, stärker, attraktiver machen zu wollen.

Saarbrücken steht nicht in direkter Konkurrenz mit Ballungsräumen wie Düsseldorf, Frankfurt oder Malmö, Frau Oberbürgermeisterin, sondern mit Saarlouis, Homburg und Kaiserslautern. Reale Kaufkraft und potentielle Investoren von dort, und aus den dazwischen liegenden Städten und Gemeinden, nach Saarbrücken zu ziehen, ist, wenn nicht Ziel und Zweck, zumindest eine erwartete Folge des Projekts. Wer in einer kleinen Region stärker werden will, kann das nur durch Schwächung seiner unmittelbaren Konkurrenz erreichen. Es gehört deshalb schon eine gehörige Portion Chuzpe dazu, ausschließlich positive Auswirkungen für die gesamte Region zu proklamieren. Ganz nach dem zynischen Motto: Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht!

Dass Sie den saarländischen Städte- und Gemeindetag über das Projekt informiert und ,durchaus' positive Reaktionen bekommen haben, verwundert nicht. Zum einen ist der Städte- und Gemeindetag ein Gremium, in dem u.a. gegenseitige Unterstützung für Projekte gesucht wird. Der Landeshauptstadt bei einer ersten Information über die SaF deutlich die rote Karte hinzuhalten, wäre deshalb unklug.
Zum anderen lässt Ihre Wortwahl ,durchaus positive Reaktionen' den Schluss zu, dass nur eine Minderheit der Städte- und Gemeindevertreter positiv reagiert haben. Wenn überhaupt! Schränkt doch das ,durchaus' schon das ,positiv' ein. Ich will aber weiter keine Semantik betreiben, schließlich war es ein Interview. ,Zustimmung' scheint es allerdings keine gegeben zu haben, wie es auch ,Mehrheitlich' keine positive Reaktionen gab. Ich bin sicher, Sie hätten diese Begriffe verwandt - wenn es so gewesen wäre: Sind sie doch feste Bestandstandteile im Wortschatz von PolitikerInnen.

,Kraft und Dynamik' soll im Wettbewerb mit anderen Ballungsräumen von Saarbrücken ausgehen. ,Kraft' aus einem mehr als zweifelhaften Freizeitwert unterhalb der Hochwasserumfahrung? ,Dynamik' aus einer neuen Wilhelm-Heinrich- und Luisenbrücke? Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, solange Investoren sich nicht einmal tertiär darum scheren, wo und wie ihre MitarbeiterInnen nach Feierabend ihre Freizeit verbringen oder ob die neue Brücke deren ästhetischem Empfinden gerecht wird, solange werden städtische Investitionsanreize materiellen Charakters sein müssen. Die Frage ist, ob dafür genügend Kraft vorhanden sein wird. Insbesondere wenn durch das Projekt SaF in erster Linie nachhaltig und dynamisch Kosten anfallen, diesen aber keine kommunalen Einnahmen gegenüber stehen werden. Eine Maut für 1.350 Meter Tunnel wäre ebenso lächerlich wie ein Eintrittsgeld auf die Berliner Promenade absurd, um die Schaufenster der Nobelmarken aus Paris, London und Rom anschauen zu dürfen.

Wäre es nicht Ihre Pflicht, den Bürgern Ihrer Stadt zu erklären, woraus und wie eine Verbesserung der Einnahmesituation der Stadt aus dem Projekt erfolgen soll? Ohne diese Erklärung gleicht das Projekt einem optimismustrunkenen Kopfsprung in ein trockenes Schwimmbecken. Wenn das derzeit nicht möglich sein sollte, wäre allerdings eine Erklärung notwendig, auf welche reale Basis Sie gegenwärtig Ihre positiven Erwartungen gründen.

Die Stadt hat einen Schuldenstand von 500 Millionen Euro. Bei 180.000 Einwohnern entspricht das einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 28.000 Euro. Hinzu kommen die Landes- und die Bundesschulden.
Irgendwo zwischen 10 und 20 Prozent von 169 Millionen Euro (plus X, plus der allgemeinen Preissteigerungsrate) wird der Finanzierungsanteil der Stadt liegen müssen, Frau Oberbürgermeisterin, um der EU und dem Bund die Ernsthaftigkeit / Notwendigkeit dieses Projekts darzustellen. Auch wenn es nach Ihrer Aussage ,nicht unüblich' ist, sich über den genehmigten Kreditrahmen hinaus zu verschulden (ist das Kreditgenehmigungsverfahren nur eine Art Beschäftigungstherapie?), ist es durchaus üblich, Zinsen und Tilgung zahlen zu müssen. Eben diese würden die Ausgabenseite der städtischen Haushalte schon während der Bauzeit belasten, während gleichzeitig auf der Einnahmeseite kaum der Status quo zu halten sein wird, sondern eher negative Folgen zu erwarten sind.
Denn eine mindestens fünf Jahre dauernde Großbau- und Staustelle Innenstadt Saarbrücken wird dem Einzelhandel und dem Tourismus nicht gut tun. Ich verweise nur auf die Proteste von Einzelhändlern, die wegen einer eintägigen Sperrung einer Ausfahrt auf die Wilhelm-Heinrich-Brücke am Pfingstsamstag 2005 über Einnahmeverluste geklagt haben. Fünfmal Pfingsten, Ostern, Weihnachten, von den Wochentagen ganz zu schweigen, zwischen Baukränen, Verkehrseinschränkungen und Betonmischern, wird nicht schad- und klaglos an Geschäftsleuten und Anwohnern vorüber gehen. Erst recht nicht, wenn alles nur auf die Hoffnung gegründet wäre, dass danach alles besser werden wird. Ich erwarte nicht, dass diese Befürchtung von Ihren Experten geteilt wird, Frau Oberbürgermeisterin. Schließlich leben wir in einem freien Land: Jeder Mensch hat das Recht, seinen Kopf so tief in den Beton stecken zu dürfen, wie er will.

Ich werfe Ihnen nicht vor, Frau Oberbürgermeisterin, dass Sie nicht darauf hingewiesen haben, dass öffentliche Aufträge in dieser Größenordnung europaweit ausgeschrieben werden müssen: Sie wurden danach vermutlich ebenso wenig gefragt wie die anderen Herrschaften, die sich positiv zu SaF in der SZ geäußert haben. Diesen Sachverhalt der Öffentlichkeit vorzuenthalten, erleichtert die Behauptung von zusätzlichen Arbeitsplätzen, die durch den Bau der SaF in Saarbücken und der Region entstehen sollen. Diese Information, die nicht zwingend nützlich für eine Befürwortung dieses Projekts ist, fehlte meines Wissens bislang in der Berichterstattung über die SaF in der SZ.
Dass sich ein GIU Vertreter, in der Sitzung des Bauausschusses am 16.02.05, nicht entblödete anzumerken, dass durch die europaweite Ausschreibung die Baukosten sinken könnten, hat im Ausschuss entweder akustisch oder inhaltlich niemand verstanden. Vielleicht wurde aber aus peinlicher Betroffenheit, ob solcher Ahnungslosigkeit, nicht darauf reagiert.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, ich bezweifle nicht die Leistungsfähigkeit saarländischer Bauunternehmungen und Ingenieure: Ob sie allerdings unter gleichen und gerechten Ausschreibungsbedingungen das beste Angebot abgeben können, dürfte offen sein. Über dies wird die Auftragsvergabe durch die Geldgeber kontrolliert.

Ich bezweifle auch nicht die Phantasie des Herrn Baudezernenten Ehrmanntraut und den Verantwortlichen bei der GIU, um dem Projekt in einem Argumentationspapier zur EU-Finanzierung positive Arbeitsmarkteffekte anzudichten. Allerdings gehe ich davon aus, dass ein solches Papier vernunftbegabten Entscheidern vorgelegt wird, die aus der Praxis wissen, dass städtische Minderwertigkeitskomplexe häufig durch Größenwahnprojekte kompensiert werden sollen. Da die EU ihre Gelder nicht aus therapeutischen Gründen vergibt, rechne ich für die SaF eher mit einem negativen Bescheid.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin! Die Stadt verhält sich gegenwärtig so wie ein verschuldeter Familienvater, der sich, lediglich auf ein höheres Einkommen hoffend, einen neuen Ferrari bestellt, gleichzeitig aber die Raten und den Sprit für sein funktionsfähiges Familienauto nur durch Sparmaßnahmen an der Ernährung, an Beiträgen zu Sportvereinen und am Nachhilfeunterricht für seine Kinder bezahlen kann.

Wenn Schulen und Kindergärten aus Geldmangel geschlossenen werden ,müssen', Frau Oberbürgermeisterin; wenn Schwimmbäder, Sporteinrichtungen, Zoos, Bibliotheken, Theater etc. wegen fehlenden Geldes in ihrer Existenz bedroht sind: Dann ist schon jeder Euro für die Planung der SaF destruktiv. Denn diese Einrichtungen sind die Fundamente einer lebenswerten und damit zukunftsfähigen Stadt: Kein Tunnel, kein Yachthafen, keine repräsentative Vorfahrt zum Landtag und auch keine Nobelmarken auf der Berliner Promenade können dafür ein Ersatz sein. Ein ,schöner Teller' stillt keinen Hunger!

Weil letzteres, Frau Oberbürgermeisterin, tatsächlich ,nun einmal so ist', will der Gegnerkreis seinen Beitrag zur Meinungsbildung über das Projekt leisten. Mit dem Ziel, eine Mehrheit in der Bevölkerung gegen das Projekt zu organisieren.
Auf unserer Website - www.gegnerkreis.de -, finden Sie weitere Informationen zu den absehbaren Konsequenzen, die aus der Realisierung der Stadtmitte am Fluss drohen. Es würde uns freuen, wenn auch Sie bei Gelegenheit einen Blick darauf werfen wollen. Ihre Antwort auf diesen Brief würden wir selbstverständlich dort ebenfalls veröffentlichen, natürlich nur mit Ihrem Einverständnis.

Mit freundlichem Gruß

Dieter Drabiniok

Gegnerkreis Stadtmitte am Fluss

 

 

 

 

 

 





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